Tadschikistan 23.06.2013 – 03.07.2013
Wir bleiben auch am nächsten Tag noch in Sary Tash und erleben gegen Abend ein stimmungsvolles Gewitterspektakel mit. Am anderen Morgen erstrahlt der Himmel wieder blau. Nach dem Frühstück brechen wir unsere Zelte ab und starten in Richtung tadschikische Grenze, die etwa 50 km entfernt liegt.
Im Niemandsland
Die Grenzformalitäten für die Ausreise an dem doch sehr familiären kirgisischen Grenzübergang sind schnell erledigt (der Generator zum Kopieren der Papiere wird angeworfen), dann liegen 10 km Niemandsland vor uns und der Kysyl Art Pass mit 4336 m Höhe. Wir lassen uns Zeit, diese Hürde zu nehmen. Im Niemandsland ist einiges im Argen, was die Straßenführung angeht.
Doch die Landschaft ist atemberaubend. Hier kommen wir dem Peak Lenin, einem von drei 7000 ern in der Region ganz nahe.
Die schneebedeckten Eisriesen strahlen eine Erhabenheit und Ruhe aus, die wir gern auf uns wirken lassen, während es im Tal blüht und grünt, dass es eine Freude ist.
Kysyl Art Pass
Zum Pass geht es steil bergan und unser Grauer schnauft ganz schön. Die offizielle Grenze nach Tadschikistan haben wir bereits passiert, der Grenzposten ist sozusagen wegen landschaftlicher Hindernisse nachgelagert. Wir sind gespannt, was uns erwartet.
Die Grenzstation ist wirklich „grenzwertig“. Ich werde zur Registrierung unserer Daten mit in die Unterkunft gebeten. Neben einem Bullerofen, der ordentlich Hitze abgibt, und einem (Schreib)tisch mit einem Besucherstuhl finde ich mich im Schlafgemach der Grenzer wieder - 3 Doppelstockbetten und das Ganze auf vielleicht 12 m² mit einem klitzekleinen Fenster, das kaum Tageslicht in die Behausung bringt. Ganz wohl ist mir ja nicht, aber ich lasse das Frage – Antwort – Spiel über mich ergehen, bin entzückt, dass man hier englisch spricht und froh, als ich die Bude wieder verlassen kann. Die Kontrollen sind sehr gemäßigt und nach 50 Minuten haben wir das Procedere hinter uns.
Zwischen Kysyl Art und Ak Baytal Pass - Karakul
Wir durchfahren zunächst endloses graues Ödland mit Blick auf den „Eisernen Vorhang“ aus der Sowjetzeit, der uns die nächsten 140 km begleitet (die Grenze nach China liegt in den Bergen, Luftlinie sind es ca. 8 km an der engsten Stelle). Die Bergwelt ist so farblos wie die Hochebene, die wir passieren.
Das ändert sich allerdings, als wir das Einzugsgebiet des Karakul Sees, des größten Sees Tadschikistans, erreichen, an dessen Ufern sich breite Salzsäume abgesetzt haben. Die sich anschließende Hochebene gibt den Blick wieder frei auf schneebedeckte Bergketten. Der Ort Karakul selbst ist nicht wirklich einladend und so setzen wir unsere Reise fort mit dem Ziel Murgab.
Auf dem Dach der Welt – der Pamir Highway
Einer der legendären Highways der Welt ist wohl der Pamir Highway. Der Begriff Highway bezieht sich hier allerdings lediglich auf die Höhe, weniger auf die Ausstattung der Fahrbahn. Von amerikanischen Vorstellungen kann man sich getrost verabschieden.
Vor Murgab geht es erst einmal richtig hinauf in schwindelnde Höhen, der Ak Baytal Pass, der höchste der Pamir Pässe mit 4655 m ist der Eintritt zum Dach der Welt. Unterwegs begegnen wir Bikern aus Frankreich, Spanien, England und Holland. Wir bewundern den Wagemut und die Kondition der jungen Leute, die bereits seit mehreren Monaten mit bescheidenem Gepäck unterwegs sind.
Es ist ein bewegender Moment, als wir den höchsten der Pamir Pässe erklommen haben und sich uns der Blick talabwärts eröffnet. Wir sind fasziniert von dem Farbenspiel der Berge. Da wechselt Braun mit Rot, Gelb, Grün und Weißgrau. Die Bergwelt, die wir im Anschluss durchfahren, lässt keine Wünsche offen.
Am Abend erreichen wir Murgab (auf 3600 m) und richten uns im „Vorgarten“ des ersten Hotels am Platze häuslich ein. In Stadtgebieten sind wir doch froh, hinter Mauern stehen zu können. Es lässt sich ohne die Schar der Bewunderer für unser Auto wirklich ungestörter schlafen.
Hochebene Alicur – 24.06.2013
Weiter geht’s am nächsten Morgen. Nachdem es meinem Habibi nicht gut geht, wollen wir die Höhe so schnell wie möglich reduzieren. Doch zunächst müssen wir erst noch einmal bergauf bis auf ca. 4300 m, bevor wir in Richtung Khorog „absteigen“ können. Wir erreichen die wunderschöne Hochebene Alicur.
Und hier holt uns unser Alptraum ein, festzusitzen auf dem Pamir Highway. Unser Grey Bull streikt. Es geht buchstäblich nichts mehr und das auf knapp 4000 m Höhe. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren ….. Wir stehen noch keine 10 Minuten, als sich Hilfe einstellt. Drei LKWs überholen uns und halten prompt, alle drei. Die Männer machen sich an dem Auto zu schaffen. Leider handelt es sich nicht um ein mechanisches, sondern um ein elektronisches Problem. Da sind auch die Tadschiken ratlos. Wie wäre es mit einem ReSet? …… Gesagt, getan…. die Batterien sind schnell ab- und auch wieder aufgeklemmt …….. und unser Grauer springt unter Jubelrufen tatsächlich an.
Na, da sind wir doch mit dem Schrecken noch mal davon gekommen ….. glaubten wir ….. noch schnell die Kontaktdaten ausgetauscht, kameradschaftliche Verabschiedung und ……. als wir losfahren wollen …. geht nichts. Was tun??? Jetzt kann nur noch die MAN – Werkstatt in Deutschland helfen. Ein teures Telefonat soll den erhofften Erfolg bringen ….. aber der bleibt zunächst aus. Auf Grund der Ferndiagnose aus Hirschberg an Hand unserer Displaydaten wechseln wir diverse Sicherungen, überprüfen Kontakte, tauschen Relais und klemmen die Batterien statt 3 Minuten eben mal drei Stunden ab.
Inzwischen wurde von unserer Werkstatt für alle Fälle der 24 h- Notdienst von MAN aktiviert, dem wir als erstes unsere GPS – Daten durchgeben. Stunden später ist eine Werkstatt in Turkmenistan gefunden (Entfernung ca. 2000 km – d.h. Anreise ca. 4 – 5 Tage unter der Voraussetzung einer zügigen Visaerteilung für Tadschikistan und Usbekistan). Nein, das geht gar nicht!
Inzwischen haben wir Gesellschaft bekommen. Eine Motorrad – Crew aus Neuseeland bleibt an dem „großen Hindernis“ am Weg (wir stehen fast mitten auf der Straße) hängen. Neben dem üblichen Erfahrungsaustausch über woher, wohin, Straßenbeschaffenheit, Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeiten und aktuelle politische Situation in den noch zu bereisenden Ländern, die Grenzübergänge betreffend, halten es die 5 doch etwas länger bei uns aus. Wir entschließen uns, das Ganze mit Humor zunehmen und aus der Not eine Tugend zu machen, indem wir spontan das ultimative „Grey Bull – Kafesi“ eröffnen. Die Jungs freuen sich über den frisch gebrühten Kaffee, ehe sie sich wieder in ihre „Sättel“ schwingen und wir uns über die Abwechslung, die uns unsere leidige Situation für den Moment vergessen lässt.
Bis zum Dunkelwerden haben wir noch einige Besucher, die alle ihre Hilfe anbieten. Wir sind mehr als überrascht von der Hilfsbereitschaft der Tadschiken. Den Vogel schießt eine Marschrutka ab, deren Insassen meinen, wir stehen kurz vor dem Verhungern. Brot, Würstchen und die neuesten Nachrichten sollen uns davor bewahren. Auch der Bildungsnotstand wird dezimiert.
Trotz aller Gelassenheit wollen wir doch nichts unversucht lassen, um mit wirklich engagierter, fachkundiger Unterstützung seitens unserer heimatlichen Werkstatt das Auto wieder startklar zu bekommen. Um 23.02 Uhr ist es dann endlich geschafft und wir können mit dem guten Glauben, dass morgen früh der Motor anspringen und laufen wird, unsere Häupter zur Ruhe betten. Die ad hoc – Akklimatisation haben wir in der Hitze des Gefechtes gut weggesteckt. Das Frühstück genießen wir inmitten der unbeschreiblich schönen Natur in Gesellschaft einer Herde Jacks, flicken zum sechsten Mal unseren Reifen, ehe wir die Weiterreise nach Khorog antreten.
Der langgestreckte und flache Koj Tezek Pass bringt uns auf die bereits angekündigten ca. 4300 m. Die Landschaft wird mit zunehmender Höhe karg und rau. Die kleinen Flüsschen, die mehrere Salzseen im „Tal“ gespeist haben, sind hier oben versiegt. Eine Steinwüste von bizarrer Schönheit beherrscht das Landschaftsbild.
Die Straßenverhältnisse haben kasachische Auswüchse angenommen und wir ziehen eine Staubfahne hinter uns her wie auch die vielen chinesischen Trucks, die uns begegnen.
Wir fahren fast Schritttempo (28 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit bei reiner Fahrzeit) und so ist es bereits später Nachmittag, als wir in Dzelondi, einem kleinen Ort mit mehreren heißen Thermalquellen ankommen. Die Nachfrage nach einem Schwefelbad ist offensichtlich groß. Ein chinesischer Truck reiht sich an den anderen. Das ist uns zu viel Gewimmel und wir setzen unsere Fahrt fort. Wir haben den Nachbarort Shazud noch nicht ganz erreicht, als uns von entgegen kommenden Fahrzeugen per Handzeichen verständlich gemacht wird, dass es hier kein Weiterkommen gibt.
Zwangsstop vor Khorog – 25.06. - 27.06.2013
Mit eigenen Augen überzeugen wir uns, dass der reißende, Schmelzwasser führende Fluss sein eigentliches Bett wegen Erdrutschmassen verlassen und im Bereich der ehemals vorhandenen Straße ein neues Bett gesucht und gefunden hat. Die Straße ist förmlich weggerissen von der gewaltigen Kraft der Wassermassen, die sich hier zu Tal wälzen. Wir stehen ratlos davor wie viele andere auch. Egal, heute ist erst einmal Schluss und wir reihen uns in die Warteschlange der zwangsweise pausierenden LKWs, überwiegend aus China, zur Übernachtung ein.
Jetzt ist guter Rat teuer. Eine weitere Option, nach Khorog zu gelangen, wäre der Vachan Korridor. Dieser führt ca. 290 km direkt am Pamir Fluss, dem Grenzfluss zu Afghanistan, entlang; nach den Hiobsbotschaften vom Gemetzel am K2 kein sehr prickelnder Gedanke. Außerdem müssten wir die steile Seite des Koj Tezek Passes und dann noch 75 km zurück fahren und der einzige Abzweig, der uns unterwegs begegnet ist, sah nicht aus als wäre er stark frequentiert.
Heute früh (26.06.) nehmen wir die Dinge erneut in Augenschein. Das Wasser hat sich sichtlich zurückgezogen, eine Reparatur der ehemaligen Straße ist jedoch selbst aus unserer laienhaften Sicht ein aussichtsloses Unterfangen, so lange der Fluss Wasser führt und kein neues Flussbett hat. Wir sind hin und her gerissen zwischen der Entscheidung zu wenden oder zu warten, was da kommen mag. Bei dem Gedanken an mordlüsterne Taliban jenseits des Flusses hält sich meine Lust auf die Weiterreise in Grenzen und nachdem ein schwerer Radlader seine Arbeit am Ort des Geschehens aufnimmt, um eine Ausweichstraße zu schaffen, schöpfen wir Hoffnung auf eine unerwartete Lösung des Problems. Das kann allerdings dauern…. Dennoch entscheiden wir uns, zu bleiben und verbringen den Tag mit einem Besuch im (heute weniger stark nachgefragten) Schwefelbad sowie der „Beaufsichtigung“ der Straßenarbeiten. Der Baufortschritt lässt hoffen, dass wir unsere Reise morgen fortsetzen können.
Der erste Gang noch vor dem Frühstück führt uns zur „neuen Straße“. Eine Planierraupe hat sich als zweites Baufahrzeug dem Radlader zugesellt und es ist nicht zu übersehen, dass es jetzt wirklich mit Schwung vorangeht. Bis zum Mittag dürfte die „Straße“ wenigstens für die meisten Fahrzeuge passierbar sein - welch grandioser Ausblick…. Auf dem Rückweg werden wir von einigen tadschikischen Kraftfahrern zum Truckerfrühstück eingeladen. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und gesellen uns zu den Männern auf dem „Esstisch“ vor dem Truck. Man kommt sich näher, auch wenn die Verständigung manchmal „hängt“, mit viel gutem Willen geht einiges. So erfahren wir beispielsweise, dass die von uns gewählte Route zur Weiterfahrt ab Khalaikum so gut wie nicht mehr befahrbar ist – gut zu wissen.
Gegen Mittag ist es dann tatsächlich soweit…… wir können starten, was wir dann als erstes Fahrzeug (unsere Truckerfreunde lassen uns den Vortritt) auch mit Schwung tun. Endlich wieder freie Fahrt. Doch wir zollen den tadschikischen Bauarbeitern hohes Lob. In nicht einmal zwei Tagen ist es ihnen gelungen, mit eingeschränkter Technik ein vergleichsweise gut ausgebautes, straßenähnliches Provisorium, auf ca. 800 m für LKW befahrbar, zu schaffen.
Bis Khorog liegen etwa 110 km vor uns. Es geht durch schroffe, felsige Landschaft. Im Tal hat sich der Gunt (eben jener zerstörerischer Fluss) ein breites Tal geschaffen. Pappeln, asiatische Birken und unzählige blühende Hagebuttensträucher säumen sein Ufer. Über den Berggipfeln hängen dunkle Wolken, die hoffentlich von dem stürmischen Wind bis morgen vertrieben sind.
Khorog - 27.06. - 29.06.2013
Am Abend erreichen wir die sehr westlich geprägte Stadt Khorog, die Hauptstadt der Pamiris, an der afghanischen Grenze. Bei der überragenden Präsenz von Autos der Marke Opel fühlen wir uns fast wie im heimischen Hessen im Gegensatz zu Kirgistan und Kasachstan, wo westliche Autos von Audi dominiert werden. Nach einem ersten Rundgang durch die Stadt und den schönsten Stadtpark Tadschikistans (laut Reiseführer) gönnen wir uns heute ein ganz spezielles Erlebnis …. Wir kehren auf Empfehlung zweier Krehfelder Motorradfahrer, die wir unterwegs getroffen haben, beim Inder ein…. und werden nicht enttäuscht.
Morgen erwarten wir Horst und seine Crew in Khorog zum Erfahrungsaustausch (sie kommen uns in einem MAN Wohnmobil aus Dushanbe entgegen – näheres unter www.herhardt.de). Unser vom Lärm der Ulitsa Lenina abgewandter Übernachtungsplatz am Park sichert uns gute Chancen für eine ungestörte Nachtruhe.
Der neue Tag gibt uns Gelegenheit, die wichtigen Anlaufpunkte der Stadt wie Touristinfo, Handycraft – Shops, Internetcafé und Basar ausfindig zu machen. Am Nachmittag gesellen sich die Augsburger Horst und seine patente Crew, bestehend aus Rainer und Rüdiger zu uns und bereits bei der Begrüßung hat es den Anschein, als würden wir uns seit Jahren kennen. Die organisatorischen Dinge für die drei sind schnell erledigt und dann kommen wir zum gemütlichen Teil des Tages.
Wir gehen auf die Suche nach dem „must have“ - Restaurant „Kurutop“, in dem die gleichnamige tadschikische, kulinarische Köstlichkeit professionell zubereitet würde….. sind auch mit der richtigen „Marschrutka“ unterwegs und ……. haben offensichtlich den falschen Tag erwischt. Wir stehen vor verschlossener Tür. Dank einiger junger Mädchen, die vor Neugier und Freude sprudeln, finden wir jedoch einen respektablen Ersatz unweit des Restaurants
und bei einem guten Essen und kaltem Bier sind wir schnell bei den wichtigsten Themen.
Horst ist Initiator der Stiftung „Bunter Kreis“ und verbindet bei seiner Reise in die Mongolei das Angenehme mit dem Nützlichen, indem er eine Kinderklinik mit dem dringend benötigten technischen Equipment ausstatten und so die Überlebenschancen der im Winter geborenen Kinder von Ulan Bator erhöhen will. Erwin wird ihn begleiten und einem mongolischen Kind hoffentlich Freude spenden.
Rainer ist echter Fotojäger und Rüdiger behält in aller Bescheidenheit den Überblick. Die drei sind über die Nordroute von Dushanbe gefahren und haben einiges zu berichten. Wir waren uns noch nicht wirklich sicher, ob wir statt der langen, angeblich guten Südroute nicht doch lieber die kürzere und scheinbar steilere Nordroute fahren sollten. Nachdem wir jedoch den „Herzstillstands – Videoclip“ der drei von der Nord Route gesehen hatten, gab es keine Fragen mehr. Man muss das Unglück ja nicht herausfordern. Wir beschließen den Abend mit einem guten Verdauerli in der „Grey Bull Bar“. Am nächsten Morgen sind wir verabredet zu einem Ausflug auf den afghanischen Basar an der Grenzbrücke.
Irgendwie scheint der Wurm sich in unsere Vorhaben eingeschlichen zu haben. Als wir wiederum mit der beliebten Marschrutka unser Ziel am nächsten Morgen erreichen, müssen wir feststellen, dass der afghanische Markt geschlossen ist. Unverrichteter Dinge kehren wir in die Stadt zurück und statten wenigstens dem Basar von Khorog noch einen Besuch ab.
Dann wird es auch schon Zeit für die Verabschiedung. Wir setzen unsere Fahrt in Richtung Dushanbe fort, insgesamt ca. 300 km an der afghanischen Grenze entlang, Nervenkitzel genug….. Nein, so schlimm ist es wirklich nicht, auch wenn die Entfernung zu den am anderen Ufer des wilden Pamir Flusses gelegenen afghanischen Dörfern so gering ist, dass man die Stimmen der Kinder und Frauen beim Spielen und Arbeiten bis zum diesseitigen Ufer hören kann.
Sollte von guter Straße die Rede gewesen sein, so muss ich mich an dieser Stelle korrigieren. Das mag für die ersten 50 km zutreffend gewesen sein, danach brechen kasachische Zeiten über uns herein….. Bis Khalaikum sind es von Khorog etwas mehr als 200 km, die eigentlich nicht in einem halben Tag zu schaffen sind. Doch mein Habibi scheint unter die Hardliner der Trucker gegangen zu sein. Ich „hänge in den Seilen“ und habe bald Affenarme, um die Schaukelei wenigstens ein bisschen auszugleichen. Zum Fotografieren bleibt wirklich nicht viel Muße, auch wenn ich immer wieder den Apparat zücke, um die spektakulären Kurven mit überhängendem Gebirge nach oben, steil abfallenden Hängen nach unten und Geröllpiste, die kaum Ausweichmöglichkeiten zulässt, festzuhalten. Außerdem sehen die Bilder nicht wirklich schön aus, da sich zu dem oftmals grauen Gebirge und dem grauen Fluss auch noch ein grauer Himmel gesellt hat …. ziemlich deprimierend.
Die letzten 60 km bis Khalaikum ziehen sich ewig in die Länge und …… Legende hin, Legende her, wir haben das Gerüttel und Geschüttel satt und möchten gerne ankommen. Es ist bereits dunkel, als wir unser Ziel erreichen und den schönsten Platz zum Übernachten haben wir sicher auch nicht gefunden. Das ist uns jetzt egal, wir sind einfach nur fertig und fallen halbtot ins Bett.
Der neue Morgen lockt mit Sonne. Wir haben erstaunlich gut geschlafen und mit frischem Mut setzen wir die Fahrt fort, auf der Südroute, versteht sich. Das Gebirge ist wie am gestrigen Tag schroff und felsig. Steile Flanken ragen rechts und links des Pamir Flusses mitunter senkrecht in den Himmel.
Nachdem wir dem Weg lange auf ca. 2000 m Höhe gefolgt sind, geht es nun talabwärts bis auf etwa 800 m, wo wir uns in einem Flussbett wiederfinden. Die Brücke, oder das, was von ihr noch übrig ist, ist laut Ausschilderung für LKW gesperrt.
Wir legen eine Pause ein und warten auf den ersten heimischen Schwerlasttransporter, der uns den Weg durch den Fluss voran fahren soll….. der kommt zwar, fährt, wenn auch sehr langsam, aber über das Brückenwrack. Wir trauen unseren Augen kaum …. auch der zweite und dritte LKW, sogar mit Anhänger, traut sich über die „Brücke“. Ich teste Wassertiefe und Untergrund, drehe um, als mir das Wasser über die Knie geht und kämpfe gegen die Strömung an. Nein, hier ist kein Durchkommen. Auch wir wählen das kleinere Übel …. und fahren, wenn auch mit Unbehagen aber trocken über die Brücke.
Und schon geht es wieder steil bergauf bis die Straße endlich nach Weste abknickt. Mit einem letzten Blick ins Tal verabschieden wir uns vom eigentlichen Pamir Highway und nach 300 km auch von der afghanischen Grenze und folgen der Straße nach Kulyab, einer größeren Stadt und unser Endziel für heute.
Inzwischen hat sich zum wiederholten Male Gewitterstimmung breitgemacht und wir bekommen einen tollen Regenbogen über dem Gebirge zu sehen.
Kulyab / Vose – 31.06. / 01.07.2013
Die Ebene von Kulyab empfängt uns mit grünen Oasen, Bauern bei der Getreideernte, Hitze und blühenden Wiesen.
Während unseres Zwangsaufenthaltes vor Khorog hatten wir mit einem der Fernfahrer aus der „Trucker – Mafia“ näheren Kontakt und waren eingeladen zum Tee, wenn wir in Kulyab eintreffen würden. Gesagt, getan, wir verabreden uns für den nächsten Vormittag in Vose (einem kleinen Ort hinter Kulyab und auf unserer Fortsetzungsroute gelegen) und schlendern heute wenigstens noch einmal über den Basar, der bereits dabei ist, seine Pforten zu schließen. Ein wenig Marktatmosphäre können wir noch einfangen, dann wird es Zeit, unseren Übernachtungsplatz in Stadtparknähe aufzusuchen (den hatten wir uns bereits bei der Einreise in die Stadt ausgeguckt).
Es ist fast Mittag als wir in Vose ankommen und Rustam (so heißt unser neuer Bekannter) erwartet uns, so scheint es, schon ein wenig ungeduldig. Wir lernen Heim und Familie des Fernfahrers kennen. Fünf Kinder sind der Stolz des Vaters, die beiden letzten, ein Zwillingspärchen, Hassan und Fatima (beide 5 Jahre alt, hat die „Babuschka“ (Oma) ganz allein aufgezogen, da die Mutter bei der Geburt gestorben ist. Wir sind geschockt. Bei einem ausgedehnten Menü (es kommt sicher so alles auf den Tisch, was die Familie zu bieten hat) erfahren wir viel Interessantes über das Leben und Arbeiten der Leute sowie deren Wünsche und Sehnsüchte.
Bei der Verabschiedung gibt es noch ein Probesitzen in unserem Caravan und ich verschenke die letzten drei meiner auf der Fahrt gefertigten Puppen, die mit leuchtenden Kinderaugen entgegen genommen werden.
Dann brechen wir endgültig auf ins ca. 220 km entfernte Dushanbe, der Hauptstadt Tadschikistans. Unterwegs begleiten wir die herrliche Landschaft um den Stausee bei Norak ein kurzes Stück.
Es ist heiß (37 Grad) und als wir die Stadt gegen Abend erreichen und in das Verkehrschaos eintauchen, ausgestattet mit einem groben Stadtplan aus dem Reiseführer und irritierten Garmins, kleben uns die Sachen am Leib und wir sind reichlich entnervt. Nach einigen zeitraubenden Fehlversuchen bei der Suche nach einem Stellplatz für unser nicht gerade stadttaugliches Gefährt, landen wir schließlich vor einem von der Armee bewachten Tor. Ich gehe in die Offensive und bitte den Armisten um Rat. Sofort stellt sich Hilfe von „höherer Stelle“ ein und man weist uns den Weg ….. wie sich herausstellt zum staatlichen Fernsehsender, vor dessen Toren wir auf den Direktor höchst selbst stoßen. Der sehr deutschfreundliche Mann hört sich unsere Bitte an, hat die eine oder andere Frage an uns, staunt über unseren Weg, den wir in seinem Land zurückgelegt haben …. und erlaubt uns, auf seinem Grund und Boden zu „parkieren“. So stehen wir jetzt also mitten in der City, unweit des Präsidentenpalastes unter schattenspendenden Platanen und werden gut bewacht, so dass der Stress langsam abklingen kann. Ein kaltes Bier wäre die Krönung des Tages ….aber leider ist es ausgegangen und so bleibt es bei Apfelsaft und dem unausweichlichen aber kalten Wodka.
Dushanbe 02.07. /03.07.2013
Was für ein Kontrast zwischen der absolut westlich ausgerichteten Hauptstadt Dushanbe mit seinen prächtigen, monumentalen Bauwerken, den vielen Springbrunnen, Cafés, Restaurants und Kaufhäusern zu der ländlichen Armut, wo Kuhmist zu Fladen geformt, zum Trocknen in der Sonne ausgelegt und als Brennmaterial im Winter genutzt wird, wo aus dem Lehm der Erde Ziegel für den Bau von Häusern und Ställen gefertigt werden, der Müll an den Straßenrändern liegt und der Esel noch immer das wichtigste Transportmittel ist.
Wir genießen trotzdem den Bummel durch die Stadt, kehren im berühmten Teehaus ein und lassen uns den noch berühmteren Plow schmecken.
Am Abend versammelt sich die Stadtbevölkerung im Park vor dem Präsidentenpalast, um sich von der frischen Brise der vielen bunt angestrahlten Fontänen umwehen zu lassen. Da machen wir mit. Die Mädchen und Frauen tragen z.T. sehr farbenprächtige Gewänder und vermitteln ein wenig die Atmosphäre aus 1001 Nacht.
Heute werden wir nicht mehr alt, denn morgen wollen wir in aller Herrgottsfrühe unsere Weiterreise nach Tashkent antreten. Die Nacht wird allerdings alles andere als ruhig. Ich habe mir den Magen verdorben und quäle mich mit Krämpfen herum …..
Am anderen Morgen sind wir nicht wirklich fit, was uns jedoch nicht von unserem Vorhaben abbringt und auf dem Beifahrersitz versuche ich nachzuholen, was ich in der Nacht verpasst habe. Die Fahrt hatten wir uns allerdings etwas anders vorgestellt. Von 800 m Höhe schrauben wir uns wieder auf 2700 m in die Berge hinauf. An den Kontrollstellen entrichten wir saftige Moutgebühren, die eigentlich für gute Straßenverhältnisse bürgen sollten. Doch weit gefehlt….. der Gipfel ist der abenteuerliche 5 km lange „Dangerous“- Tunnel vor der tadschikisch/usbekischen Grenze, der seinem Namen alle Ehre macht. Aus dem Fahrbahnbelag des unbeleuchteten und unbelüfteten Tunnels spießt bereits die Eisenbewehrung heraus. Wir fahren oder besser gesagt rumpeln von einem Loch ins andere, ohne zu sehen, wohin es wirklich geht, da die Fahrbahn streckenweise völlig überflutet ist. Das ist Kasachstan in Potenz.
Froh, diesem Abenteuer entkommen zu sein, wollen wir uns gerade zurücklehnen, als sich nach ca. 20 km die nächste unangenehme Überraschung einstellt. Der Shakristan Pass in ca. 3300 m Höhe ist nur einspurig zu befahren. Wir haben das Pech, dass bei unserer Ankunft gerade unsere Spur bis 6.00 Uhr abends gesperrt ist. Schade, wir sind zwei Stunden zu spät angekommen und werden im Resultat die usbekische Grenze heute nicht mehr passieren können.
Fortsetzung im Berichtsteil Uzbekistan